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Ausbau Fernreisemobil – Grundüberlegungen

Ein Reisefahrzeug soll es werden. Zu Beginn stehen natürlich die grundsätzlichen Überlegungen: Wie groß (Geländewagen, VW-Bus/Sprinter, LKW), wie neu, wie teuer.

Aber die wichtigste Überlegung ist: Was will ich denn eigentlich damit machen?

Es macht einen großen Unterschied, ob ich ein Fahrzeug plane, mit dem ich monate- oder gar jahrelang dauerhaft reisen möchte oder ob es mehr oder weniger um ein "Urlaubsfahrzeug" geht (wobei der "Urlaub" gerne auch mal etwas länger dauern kann). Plane ich für einen bestimmten Zweck (z. B. eine Afrika-Durchquerung während eines Sabbatjahres) oder möchte ich dauerhaft in dem Fahrzeug leben.

Auch die geplanten Reiseziele haben natürlich Einfluss: Auf die Ausstattung und die "Zuverlässigkeit" der verwendeten Technik.

Natürlich spielen auch die eigenen Bedürfnisse eine sehr große Rolle. Alleine dieses Thema verbietet es deswegen schon, das Auto eines anderen "nachzubauen". Die Wahrscheinlichkeit, dass all die genannten Punkte incl. der persönlichen Bedürfnisse, in etwa deckungsgleich mit einem anderen Reisenden sind, dürfte relativ gering sein.

Unsere konkreten Überlegungen

Nachdem wir einige Jahre mit einem Geländewagen im Rahmen des gewöhnlichen Jahresurlaubes gereist sind, entstand bei uns der Wunsch mal irgendwann "ohne Zeitbegrenzung" und frei von äußeren Zwängen, "open end" zu reisen. Gleich vorweg: "ohne Zeitbegrenzung" und "frei von äußeren Zwängen" ist Wunschdenken… 😉

Relativ einfach war die Frage nach dem "irgendwann" zu beantworten: Da wir zwei schulpflichtige Kinder hatten, konnte die "Open End"-Reise erst starten, nachdem die beiden "aus dem Gröbsten raus sind". Durch dieses Zeitfenster, dass etwas über 10 Jahre betrug, blieb viel Zeit dafür, sich Gedanken zu machen, ein Fahrzeug auszubauen und möglichst viel Geld zu sparen, damit sich die Reiseträume auch erfüllen lassen.

Von Anfang an war klar, dass uns unser Geländewagen (ein Toyota HZJ78, das "Buschtaxi") für die große Reise zu klein ist. Zu wenig Platz zum Leben (auf Langreisen spielt sich eben nicht immer alles draußen ab), zu wenig Stauraum, täglich mühseliges Hin- und Herräumen. Wir wollten fahrzeugtechnisch aber auch nicht zu groß werden. Schließlich kannten wir die Vorzüge eines Geländewagens, mit dem man so ziemlich "überall" hinfahren kann. Auch kleinste Wege lassen sich einfach mal ausprobieren. Was wir beim Umstieg auf ein größeres Fahrzeug nicht wollten war - was wir bei anderen Reisenden erlebt haben - dass mit dem größeren Fahrzeug quasi nicht mehr die Straße oder Hauptpiste verlassen wurde. Das war für uns ein No-Go.

Da wir bezahlbar kein brauchbares Allrad-Fahrzeug in VW-Bus/Sprinter-Größe fanden, fiel die Entscheidung für einen "kleinen" LKW. Maximal 7,5to (wegen dem damals nicht vorhandenen LKW-Führerschein) und ein möglichst kleiner Koffer, damit das Auto auch klein, wendig und geländegängig bleibt. So kauften wir damals einen MAN G90 mit einem kleinen dänischen Shelter.

Der erste Plan: Ein VW-MAN G90 mit kleinem Shelter. Hochgeländegängig, aber wenig Platz zum Leben.

Noch vor dem Ausbau des kleinen Shelters kamen uns Zweifel - auch von Bekannten aus der Reiseszene befeuert - dass der Wohnraum evtl. doch zu klein für Langreisen sei. Also wurde der kleine Shelter wieder verkauft und ein größerer Shelter (der bekannte FM2 der Bundeswehr vom Hersteller Zeppelin) angeschafft und mit Hilfe eines gekauften Hilfsrahmen (Dreipunkt-Lagerung) auf den VW-MAN gesetzt. Dann starteten wir unseren Ausbau und haben in dieser Konstellation auch mehrere Reisen unternommen. Warum das letztlich für uns doch nicht das Optimum war und wir später ein größeres Fahrgestell unter unseren Koffer setzten, steht hier.

Von Anfang an standen in unserem Lastenheft folgende Punkte, da wir langzeit und weltweit unterwegs sein wollten:

  • Einfache, robuste Technik
  • Umfangreiche Autarkie (Treibstoff, Wasser, Energie)
  • Weitreichende Redundanzen um Defekte/Ausfälle unterwegs besser verkraften zu können
  • Ausstattung um alle Kontinente und Klimazonen bereisen zu können
  • Genügend Stauraum
  • Ausreichend Platz, um auch längere Zeit IM Fahrzeug leben zu können

 

Schauen wir uns diese Punkte etwas näher an:

Einfache, robuste Technik

Stand heute (2018) halten wir aktuelle Fahrzeuge nicht für den weltweiten Einsatz geeignet. Das mag in 10 Jahren anders sein, weil sich diese Fahrzeuge aus Europa/Japan/USA auch nach Asien und Afrika und Südamerika ausgebreitet haben und sich dadurch vor Ort Spritqualität, Ersatzteile und Reparaturfähigkeiten entwickelt haben. Heute ist das aber definitiv nicht so. Dazu kommt die altgescheite Erkenntnis: "Wo viel dran ist, kann auch viel kaputt gehen." Das ist einfach so. Und in wie weit sich die vielen elektronischen Gimmicks, die in heutigen Fahrzeugen stecken, mit sandiger Wüste, extrem hoher Luftfeuchtigkeit in Zentralafrika oder eisiger Kälte in Sibieren vertragen, muss sich auch noch zeigen.

Tankstelle in Tadschikistan. Sprit für moderne Motoren oder AdBlue - Fehlanzeige.

 

Umfangreiche Autarkie

Ja, ja, "autark sein". Ein vielstrapazierter Begriff (gerade von den Herstellern hochpreisiger Fahrzeuge). Doch wann ist man "autark" und wie lange?
Grundsätzlich kann ein Fahrzeug (zumindest mit einem Verbrennermotor) nicht vollständig autark sein, da man zumindest hin und wieder Treibstoff braucht. Auch Trinkwasser braucht man immer mal wieder, wenn man sich auch hier mit einer sinnvollen Wasseraufbereitung quasi Autarkie verschaffen kann. Bleiben noch Strom und Gas, wobei hier das Thema Strom deutlich einfacher zu lösen ist. Unsere konkreten Überlegungen und Umsetzungen finden sich in unserem Energie-Konzept.

Werkstattbesuch im Iran. Die Jungs sind fit, was alte Autos angeht. Aber OBD auslesen und Elektronikspielereien sind eher nicht ihr Spezialgebiet.

 

Weitreichende Redundanzen um Defekte/Ausfälle unterwegs besser verkraften zu können

Das Thema "Redundanz" (also zusätzliche technische Ressourcen als Reserve vorzuhalten oder mehrere Wege vorzusehen, um Aufgaben zu lösen), spielt je nach Einsatzort des Reisefahrzeugs eine nicht unwichtige Rolle. Natürlich kann man "nicht alles doppelt mitnehmen", aber wir halten es als sehr sinnvoll dieses Thema bei vielen Entscheidungen immer wieder im Hinterkopf zu haben. Schlimmstenfalls ist eine ausgefallene Heizung bei -30°C in Sibirien lebensbedrohlich. Aber so weit muss man gar nicht gehen. Alleine ein ausgefallener Solar-Laderegler kann einem sein gesamtes Energiekonzept über den Haufen werfen. Der amazon-verwöhnte Europäer wird sich wundern, wenn er bzw. versucht im Iran Ersatzteile für eine Thetford-Toilette zu kaufen. Oder in Tadschikistan auch nur Schrauben mit einigermaßen Festigkeit. Von passenden elektronischen Geräten wie Laderegler oder ähnlichem mal ganz abgesehen. Natürlich kann man nicht alles doppelt vorhalten, aber bei der Konzeption des Fahrzeuges sollte man immer den Ausfall einer wichtigen Komponente im Hinterkopf haben und einen Plan B vorsehen.

Autoteile-Basar in Usbekistan. Hier gibt es alles, was man für alte Autos braucht. aber auch nur das.

 

Ausstattung um alle Kontinente und Klimazonen bereisen zu können

Bei Langzeitreisen bleibt es nicht aus, dass man auch mal "zur falschen Zeit am falschen Ort" ist. Manchmal sogar absichtlich. Aber äußere Zwänge (Visa-Dauer, nur im Hochsommer zu passierende Pässe o. ä.) legen oft einen entsprechenden Zeitplan fest und mitunter ist dann man dadurch zu eher unpassenden Zeiten in anderen Gegenden unterwegs. Wer z. B. im Juni oder Juli schon mal Usbekistan durchreist hat (oder musste), wird verstehen was ich meine. Wochenlange Temperaturen von über 40°C machen einem zu schaffen und führen mitunter zu lustigen Effekten: z. B. dass das Wasser im Trinkwassertank zu heiß ist, um es zu trinken oder sich die Hände zu waschen. Hier gewinnen ausreichend Kühlmöglichkeiten plötzlich deutlich an Wert…
Jetzt, da ich diese Zeilen schreibe, befinden wir uns gerade zu Winterbeginn unweit des Nordkap in Nordskandinavien. Diese - zugegeben etwas ungewöhnliche - Tour (die meisten wollen ja eher ins Warme), stellt besondere Anforderungen an das Thema Heizung, Isolation, Schwitzwasser und Stromgewinnung (hier ist die Solarleistung nämlich gerade ziemlich bescheiden und in wenigen Wochen wird sie gegen Null tendieren).

Mehrere Wochen über 40°C. Da wird man bei der Kühlung erfinderisch: Abends eine Flasche Wasser eingefroren gibt am nächsten Tag Kühlung und langsam auftauend ein kühles Getränk.

 

Genügend Stauraum

Zu den Dingen, die man verstauen können muss (Lebensmittel, Kleidung, Ersatzteile, Zubehör, …) kommt natürlich auch was an gerne dabei haben möchte (z. B. Fotoausrüstung, Lesestoff, Angelausrüstung, …). Bei Langzeitreisen kommt dazu, dass man von fast allem mehr braucht (Kleidung von ganz dünn bis ganz dick, mehr Ersatzteile). Dafür braucht man ausreichend Platz. Wer natürlich wenige weltliche Dinge braucht, ist hier im Vorteil.

Auto laden vor einer langen Reise. Viele Dinge sollen mit. Die müssen irgendwohin passen.

 

Ausreichend Platz, um auch längere Zeit IM Fahrzeug leben zu können

Auch das ist bei Langreisen ein nicht zu unterschätzender Punkt. Öfters huscht mir ein kurzes Lächeln übers Gesicht, wenn ich Foren so pauschale Aussagen lese, wie "im Auto wird nur geschlafen, gelebt wird draussen". Das mag bei einer Urlaubsreise noch gehen oder auch bei einer längeren Reise in warmen Gefilden. Natürlich verbringen auch wir möglichst viel Zeit im Freien. Aber egal ob Sandsturm in der Wüste Lut, tagelangen Stürmen in Island oder Dauerregen in gemäßigten Gefilden, in solchen Situation sind wir über unseren gemütlichen Lebensraum im Innern froh und würden nicht mehr mit dem Toyo tauschen wollen. Von "speziellen" Reisen, wie der aktuellen Winterreise in Nord-Skandinavien gar nicht zu reden. Vielleicht sind wir auch nur zu alt… 😉

Auch Reisen im Winter haben ihren Reiz. Aber dabei hält man sich auch viel im Auto auf.

Disclaimer - Achtung !!!
Alles was hier steht, ist unsere eigene, ungeschminkte Meinung und kann auch ganz falsch sein. Wir haben weder die Weisheit mit Löffeln gefressen - noch glauben wir das. Jeder darf gerne zu ganz anderen Überzeugungen kommen. Kein Problem. Aber vielleicht findet der ein oder andere hier ja für ihn interessante Punkte oder stolpert über Dinge, die er bislang übersehen hat.

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