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Tadschikistan/Kirgistan – Über das Dach der Welt ins Land der Pferde

Mit dem Begriff "Dach der Welt" wird heutzutage zwar eher das Himalaya-Gebirge bezeichnet, doch in alten Nachschlagewerken wurde dieser Ausdruck immer für das Pamirgebirge verwendet. Vom "Pamirknoten" aus entfalten sich die Hochgebirge Zentralasiens, die "niedrigsten" Regionen liegen um die 4000m und die höchsten Erhebungen über 7000m Meereshöhe, so hatte und hat der Ausdruck "Dach der Welt" durchaus seine Berechtigung.

Wir sind ganz in den Osten Tadschikistans gefahren, dort wo das Pamitgebirge am einsamsten ist. Nur rund ein dutzend Kilometer trennen uns von der chinesischen Grenze. Hier im Tal des Aksu gibt es nur einige Hirtenfamilien und zwei oder drei Dörfer. Wir hatten gehofft, bei der Fahrt durch das Tal, dass sich von Süden nach Norden an der chinesischen Grenze vorbei zieht, schöne Ausblicke auf die Eisriesen der chinesichen Seite zu haben. Doch leider waren diese durch vorgelagerte Berge verdeckt. Trotzdem war die Gegend schön, nur die ekelhafte Wellblech-Schotterpiste bleibt in negativer Erinnerung. So viel wie möglich sind wir neben der Piste gefahren, die Spuren der Einheimischen dort zeigten auch deren Abneigung gegen diese Holperpiste.

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Ein Yak. Diese Rinderart ist im zentralasiatischen Hochland eine wichtige Lebensgrundlage. Er ist Reit-, Last- und Arbeitstier, liefert Milch, Fleisch, Leder, Haar und Wolle. Seine Kotfladen dienen als Brennmaterial. Yaks vertragen problemlos große Höhen und haben auch mit Temperaturen von -40°C keine Probleme. Sie sind ideal angepasst an die oft lebensfeindliche Umgebung der zentralasiatischen Gebirgsregionen. Nur mit Wärme haben sie es nicht so, was aber hier oben kein Problem darstellt...


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Einige wenige Hirtenfamilien leben hier. Der am und auf dem Haus gelagerte getrocknete Tierdung dient als Brennmaterial zum Heizen und Kochen.


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Das schwere, entbehrungsreiche Leben zeichnet die Menschen hier. "Natürlich" werden wir auch hier wieder zu Tee und saurer Milch/Joghurt eingeladen.


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Im ersten Dorf, das wir erreichen, treffen wir auf Kirgisen, die man leicht an ihrer typischen Kopfbedeckung erkennen kann. Im tadschikischen Pamir wohnen viele Kirgisen. Auch ein Überbleibsel der russichen und sowjettischen Umsiedelungspolitik. Hier in Zentralasien wurden die Völker durch Zwangsumsiedlungen vermischt. Man versprach sich davon weniger Zusammenhalt unter den Menschen, ja schürte sogar aktiv Spannungen zwischen den Volksgruppen, um diese so leichter kontrollieren zu können. Ähnliche Strategien sind auch von den Kolonialherren Großbritannien und Frankreich angewendet worden und mit ein Grund für heutige Spannungen in vielen Teilen der Welt.


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Eigene Fahrzeuge haben hier nur wenige, öffentliche Verkehrsmittel gibt es praktisch nicht. So wird jede Mitfahrgelegenheit gerne genutzt.


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Die Landschaft ist grandios. Nur leider versperren uns die Vorgebirge den Blick auf die Eisriesen hinter der chinesichen Grenze.


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Die Wellblechpiste ist eine Katastrophe. So fahren wir häufig daneben, in Spuren, die Einheimische gezogen haben. Dort ist das Fahren angenehmer, allerdings staubt es heftig


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An einem kurzen steilen Anstieg, an dem wir von der tiefer liegenden Nebenspur wieder auf die höherliegende Hauptpiste müssen, erschrecken wir über ein hässliches, böses Geräusch. Kein Vortrieb mehr. Auch beim Rückwärtsrollen jagt uns das Krachen und Schlagen von Metall Schauer über den Rücken. Hört und fühlt sich wie ein Getriebeschaden an. Die Inspektion unter unserem Schneggsche zeigt "nur" eine abgescherte Kardanwelle. Von acht Schrauben ist noch eine dran, 3 finden wir abgeschert an dem Anstieg. Die restlichen 4 müssen bei dem Geratter davor schon verloren gegangen sein. Nochmal Glück gehabt. Mit 8 neuen Schrauben wird die Kardanwelle wieder am Getriebeausgang befestigt. Ein Verbinder vom Druckluftbremssystem muss abgedichtet werden, da die unrund schlagende Welle diesen beschädigt hatte. Danach kann es weiter gehen...


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Zwei der drei abgescherten Schrauben, die wir an der Unglücksstelle noch finden konnten.


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Nur einmal gelingt ein Blick auf die chinesischen Eisriesen, wenn sich auch Berge und Wolken vermischen.


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Im Örtchen Murgab erreichen wir nach unserem Abstecher in den entlegenen Osten wieder den Pamir-Highway, einst auch eine wichtige Route der Seidenstraße. Die Hochgebirgsstraße, die Tadschikistan mit Kirgistan und China verbindet. Einst Militärstation und Arbeitersiedlung für die Unterhaltung der Hochstraße, heute das "Zentrum" des Pamir-Highway. Immerhin gibt es hier Grundnahrungsmittel zu kaufen und sogar eine Tankstelle. Ansonsten ein Ort wo man nicht mal begraben sein möchte...


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Der "Bazar" von Murgab. Zwei Reihen Container, aus denen die wenigen Handelswaren verkauft werden. Fertig.


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Von Murgab aus geht es nordwärts. Die Straße schraubt sich höher und höher durch schöne Berge. Ab und an fehlt mal ein Stück (hier sogar ordnungsgemäß abgesperrt. Man sucht sich dann einen Weg um die Lücke herum.


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Immer höher geht es hinauf. Unser Schneggsche müht sich den immer steiler werdenden Anstieg zum 4655m hohen Akbajtal-Pass hinauf. Im zweiten Gang in der Untersetzung kriechen wir mit 12km/h zu Berg. Die ohnehin nicht üppige Leistung des Motors ist in dieser dünnen Luft deutlich reduziert. Aus dem Auspuff qualmt es so schwarz wie aus Kohlekraftwerken des 19. Jahrhunderts. Die "Feinstaub"-Belastung unseres Autos wäre wahrscheinlich ausreichend gewesen, um alle Umweltzonen in Deutschland auf einen Schlag stillzulegen.


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"Gipfel"-Bild auf dem 4655m hohen Akbajtal-Pass, dem höchsten Punkt unserer Reise. Unser GPS zeigt zwar sogar 4681m an, aber um die 26m wollen wir nicht streiten...


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Nördlich des Passes, schon einige Serpentinen niedriger, gibt es ein Hinweisschild für den Pass, das wir gerne für ein Erinnerungsfoto nutzen. Einen "ufftour"-Aufkleber haben wir auch spendiert...


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Kurz vor der Grenze zu Kirgistan liegt der Hochgebirgssee Karakul...


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... und in dem gleichnamigen Dorf staunen die Einwohner nicht schlecht über diese seltsamen Germanen, die den weiten Weg hierher gefahren sind...


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... und wir treffen deutsche Radfahrer wieder, denen wir im Pamir schon mehrmals begegnet sind.
Anmerkung zum Gesichtsausdruck der besten Ehefrau von allen: Heike hat an diesem Tag Kreislaufprobleme, ist später sogar zusammengeklappt. Der Gesichtsausdruck hatte also nichts mit den freundlichen Radfahrern zu tun... 😉


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Den tadschikischen Grenzposten, der auf der Passhöhe eines 4280m hohen Passes liegt, hatten wir bereits ohne Probleme passiert. Danach geht es 20km abwärts durch "Niemandsland", bis man irgendwann die kirgisische Grenzstation erreicht. Eine skurile Sache. Wem das Gebiet dazwischen gehört, wissen wir nicht. Schön ist es dort aber auf jeden Fall.





Kirgistan


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In Kirgistan angekommen, überraschen uns zunächst einmal zwei Dinge: Es ist viel grüner als Tadschikistan und der Straßenzustand ist eine Wonne. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich mal über eine Asphaltstraße freuen würde. Die Straße von der tadschikisch-kirgisischen Grenze ist in bestem Zustand. Wir sollten aber noch lernen, dass das nicht für andere Straßen in Kirgistan gilt... Aber zunächst genossen wir ein nach tausenden Kilometern übelster Straßen und Pisten vergessenes Gefühl des ratter- und schüttelfreien Dahingleitens über schöne Pässe. Gebirgig ist es hier in Kirgistan, "der Schweiz Zentralasiens", nämlich auch.


Erste Station war die Stadt Osh. Wie immer die gleichen Dinge zu erledigen: Geld besorgen, Sim-Karte kaufen, Versicherung fürs Auto abschließen. Aber wir wollten auch eine Werkstatt aufsuchen, da es kleinere Probleme am Fahrzeug gab und sich ein Größeres abzeichnete. Evtl. muß das Getriebe raus um einen Dichtring auszutauschen. Auf dem Gelände von "Vladimir's Workshop" konnte ich die notwendigen Arbeiten selbst ausführen. Das Getriebe blieb erstmal drin und der Ölverlust wird weiter beobachtet.


In Osh selbst haben wir uns nicht weiter umgesehen. Es ist wohl keine sonderlich sehenswerte Stadt. Es gibt hier noch frische Wunden, die noch nicht verheilt sind. Ein großer Prozentsatz der hier lebenden Menschen sind Usbeken (die usbekische Grenze liegt auch gleich um die Ecke). Es gab in der Vergangenheit immer wieder Spannungen zwischen Kirgisen und Usbeken. Zuletzt kam es im Jahr 2010 zu Krawallen und bürgerkriegsähnlichen Zuständen mit hunderten von Toten und tausenden von vertriebenen Usbeken. Es bleibt zu hoffen, dass diese - in der Vergangenheit häufig von fremden Menschen geschürten - Spannungen endlich überwunden werden.


Ein kurzer Bummel über den Bazar durfte natürlich nicht fehlen. Hier in paar Fotos davon:

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Die Autos hier in Kirgistan werden genauso beladen, wie in den Ländern davor.


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Das war uns allerdings neu: Ein Durchfahrverbot in Abhängigkeit von der Temperatur. Na dann.


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Nachdem wir Osh verlassen hatten, ging es gleich wieder hinauf in die Berge. Leider hatten wir Pech mit dem Wetter, aber immerhin gab es einen schönen Regenbogen.


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In diesem gebirgigen Land sind viele Pässe zu fahren. Schön.


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Die Landschaft ist oft spektakulär, wenn auch dieses Foto aufgrund des wenigen Lichtes durch den scharz bedeckten Himmel sehr surreal aussieht.


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In den Bergen leben die Hirtenfamilien. Zumindest während des Sommers ziehen sie mit Sack und Pack auf die Hochweiden, die meist im Bereich zwischen 2500m und 4000m Meereshöhe liegen. Mit dabei Schafe, Rinder und ...


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... natürlich Pferde. Als Behausung dient hauptsächlich die Jurte. Dieses Rundzelt besteht im unteren Bereich aus einem Scherengestell aus Holz, die Dachkontruktion aus gebogenen Holzpfosten, die an einem offenen Ring, der als Rauchabzug dient, zusammenlaufen. Bedeckt wird die Kontruktion mit dicken Filzbahnen. Innen ist die Einrichtung um einen Ofen angeordnet, in dem Tierdung verbrannt wird. In nur 2 Stunden ist eine Jurte komplett auf, bzw. abgebaut.


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Kirgisen außerhalb der Städte trifft man eigentlich nur auf dem Pferd sitzend an. Dies unterscheidet Kirgistan von den vorher bereisten Ländern, in denen die Hirten meist zu Fuß unterwegs sind.


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Und Pferde gibt es, wohin das Auge auch blickt.


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Die "Verwertung" der Tiere ist konsequent. Sie dienen als Reittiere, die vergorene Stutenmilch wird getrunken. Fell, Haare und natürlich auch das Fleisch werden genutzt.


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Übernachtungsplatz am Song Köl, einer der vielen Hochgebirgsseen in Kirgistan.


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Kirgistan bemüht sich mehr als die Nachbarländer den Tourismus zu fördern. Auch hier am Song Köl gibt es mehrere Jurtencamps für Touristen. Hier müssen diese einer Wetterfront trotzen.


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Dramatische Wolkenformationen. Die Strahlen der untergehende Sonne können sich nur manchmal einen Weg bahnen.


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Mit dem Wetter haben wir in den ersten Tagen wenig Glück, wenn auch die Wolkenfetzen und Hochnebel manchmal schöne Ausblicke bescheren.


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Nebeneffekt des Regens sind teilweise verschlammte Wege, die bestenfalls unser Auto nur verschmutzen, es manchmal aber auch festhalten und nicht mehr loslassen wollen...


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Um zum "kirgisischen Meer", dem Hochgebirgssee Issyk Kul, zu gelangen, entscheiden wir uns für eine unbefahrene Piste durch ein Hochtal. Rund 200km wird uns diese durch eine wunderschöne Landschaft führen. Nur im Sommer von einigen Hirten bewohnt. Die Piste sollte sich als nicht immer einfach erweisen...


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Nach rund 70km über eine sehr löcherige Piste stehen wir dann vor einer Brücke, die für 3 Tonnen Gewicht ausgeschildert ist. Wir haben etwas über 8 davon. Für die 70km haben wir einen halben Tag gebraucht und jetzt steht da dieses hässliche Schild. Hm, was tun. Eine Umfahrung durch den Bach ist nicht möglich. Der Zustand der Brücke von unten betrachtet ist nicht gerade vertrauenserweckend (vielleicht hätte ich Fotos davon machen sollen!). Umkehren und diese 70km Löcher zurückfahren wollen wir aber auch nicht. Ein kurzer Blick zum Himmel und drüber geht es. Wie die Kölner sagen "Et hätt noch emmer joot jejange..." (siehe "Rheinisches Grundgesetz, Artikel 3).


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In dem einsamen Hochtal haben einige Hirtenfamilien ihre Jurten für den Sommer aufgebaut.


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Dahinter die schneebedeckten Berge. Traumhaft.


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Berge, Wiesen, klare Bergbäche. Herz, was willst Du mehr?


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Die einzigen "Fahrzeuge" außer uns haben 4 Beine...


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Die Hochwiesen stehen voll mit blühenden Pflanzen.


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Durch die Abgeschiedenenheit des Landes und der Hochtäler haben sich in Kirgistan unverhältnismäßig viele endemische Pflanzen entwickelt.


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Wir erfreuen uns an vielen Farben und Formen.


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